Clemens Sehi arbeitet mit Basis in Berlin als freischaffender Reisejournalist, Werbetexter und Kreativdirektor. Neben dem bilingualen Reiseblog Anekdotique.de hat er zusammen mit seiner Freundin und Journalistin Anne Steinbach vor kurzem das bilinguale Online-Reisemagazin Travellers Archive gegründet, bei dem der Fokus auf ausführlichen Reisereportagen und echten Reisegeschichten aus vielleicht nicht allzu gängigen Reisezielen liegt, mit dem Ohr nah dran an der Bevölkerung und damit der Seele der Destination.
Welche Geschichte steckt hinter der Entstehung deines Blogs?
Anne und ich haben, mit Annewhere.com und Anekdotique.de zwei funktionierende Reiseblogs. Mit unserem neuen Magazin wollen wir nun aber gemeinsam ein Stück weiter gehen und tiefer hinein blicken in Länder, Völker und Kulturen. Es ist gut, den Menschen vor Ort mal ein stückweit zuzuhören. Genau dort stecken die echten und wirklich interessanten Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Das ist es, was inspiriert. Und mit dieser Inspiration lassen wir unsere Leser dann nicht alleine, sondern geben handfeste und außergewöhnliche Tipps, um diese spezifischen Regionen auf der Welt auf eigene Faust und genauso intensiv zu erleben, um ihr und dem Volk voll und ganz gerecht zu werden. Zurück zum echten Reisen also!
Welche 2-3 unvergesslichen Momente kommen dir in den Kopf, wenn du an deine letzte Reise denkst?
Da schießen mir sofort viele unglaubliche Momente in den Kopf. Gerade befinden wir uns auf dem Weg in den Senegal nach Westafrika, waren auf einem Surf-Roadtrip quer durch Portugal und danach in einer unserer Lieblingsstädte: Istanbul. Wenn ich es daran fest machen müsste, ist es ein Leichtes, drei Momente zu nennen:
Zum einen ist es die Stille, die unten bei den Fischern an der Galatabrücke herrscht, und zwar genau zu jener Tageszeit, wenn die Stadt erwacht und der Morgengrauen den Himmel in ein unwirkliches Rosa tüncht. Dann ist es der Muezzin, der dich beim Spaziergang durch Cihangir mitten aus deinen Gedanken reißt und seinen Klangteppich über die Stadt legt. Und dann bleibt natürlich der Ausblick von der Fähre, die zwischen Karaköy nach Kadiköy pendelt. Dann, wenn die Möwen hinter dem Schiff krächzen wie wildgeworden mit dem Wind spielen und sich der Anblick auf Istanbul bei jedem Meter verändert, als würde sich ein wunderschönes Gemälde ein kleines Stück verschieben.
3) Wo übernachtest du am liebsten, wenn du reist?
Das ist ganz unterschiedlich. Am liebsten passt die Unterkunft zum Ort und hat eine Geschichte zu erzählen. Das kann ein Campingplatz an der Atlantikküste in Portugal sein, ein junges Hotel in Hong Kongs hippstem Stadtteil Sheung Wan, das Fünfsternehaus in einem 500-Jahre alten japanischen Garten in Kyoto oder aber auch mal nur ein Wohnmobil. Mit letzterem sind wir dieses Jahr zwei Wochen durch Neuseeland gecruist. Mehr Freiheit geht eigentlich gar nicht. Da merkt man mal, dass der Mensch nicht auf Federn gebettet sein muss, um glücklich zu sein. Der Ausblick beim Morgenkaffee auf den Tasman Gletscher am Mount Cook reicht vollkommen aus.
4) Kannst du dich an 2-3 skurrile Momente innerhalb deiner Reisen erinnern?
Wir waren dieses Jahr einige Monate auf Weltreise, insofern weiß ich gar nicht, wo anfangen… Als einziger Weißer mit einem äthiopischen Volk kulturelle Tänze aufzuführen, bei denen man seine Beine schlagartig in die Luft schleudert, war schon etwas Besonderes.
Unvergesslich bleibt auch der Roadtrip durch den Libanon Anfang des Jahres, wo ich als einziger Autofahrer auf der Straße von bewaffnetem Militär angehalten wurde, nur um mit völlig ernster Miene gefragt zu werden, wieso zum Henker ich als deutscher Tourist einen Vollbart trage. Kalaschnikows waren für mich noch nicht so allgegenwärtig.
Völlig skurril war sicher auch die Bergwanderung im vergessenen Gebirge des Kaukasus nahe des vergessenen Bergdorfs Xinaliq. Hier mitten im großen Kaukasus-Gebirge, das Russland und den Südkaukasus teilt, machte ich vor zwei Jahren eine Bergwanderung mit einem einheimischen Reiseleiter, der von der Idee des Wanderns noch nie etwas gehört hatte und mit mir das 4.243 Meter hohe Sahdag-Massiv kurzerhand in Anzugschuhen hochmarschierte. Da schaute die Ziegenherde nicht schlecht.
5) Welche kleine Reiseanekdote hast du für unsere Leser?
Puh, nur eine? Da fallen mir noch zig andere ein. Einmalig war sicher der Besuch des Mursi Volks im Süden Äthiopiens an der Grenze zum Südsudan. Das völlig isolierte und einst kriegerische Volk der Mursi ist vor allem für seine Frauen berühmt, die riesige, bunt bemalte Tonteller in ihrer Unterlippe tragen und für jedes Foto der wenigen Besucher Bares verlangen. Für jeden Klick der Kamera zahlt man also ein paar Cent und diese wiederum finanzieren dem indigenen Volk das Leben, aber vor allem auch den Kauf von Hochprozentigem, der von ihnen mit großer Hingabe in Massen einverleibt wird. Eine zwiespältige Form von Tourismus, irgendwo zwischen Menschzoo und einem persönlichen Beitrag zum Erhalt einer jahrhundertealten Kultur.
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